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Häuser sind geil. Sie sagen so viel über unsere Städte, Politik und unser Zusammenleben aus: Ob Glas-Skyscraper oder Stahlbeton, Architektur ist vielfältig und kann auch unglaublich Spaß machen zu fotografieren, wenn man weiß, wie. Architektur muss nicht glatt, kalt und wenig einladend wirken. Über die Architekturfotografie bin ich sogar überhaupt erst zu Fotos gekommen. Meine sieben ultimativen Tipps für gelungene Architekturfotos gibt’s hier.

1. Bildausschnitt und Leading Lines

Bei Architekturfotos fällt auf: Irgendwie bestehen die Bilder primär aus Linien. So weit, so wenig überraschend. Die Kunst ist es, sie stimmig zu gestalten und einen Bildmittelpunkt herszustellen. Der muss logischerweise nicht in der Mitte liegen, aber Architekturfotos profitieren genau so wie alle anderen Bilder auch von einem Schwerpunkt. Die sogenannten Leading Lines sind hier hilfreich. Sie leiten den Blick der Zuschauenden auf einen bestimmten Punkt des Bildes. Es kann zum Beispiel eine Straßenflucht sein und dort, wo sie zusammenläuft ist ein Subjekt zu sehen, zum Beispiel ein:e Radfahrer:in.

2. Fallende und gerade Linien

Hat man Ausschnitt und Linien gewählt, ist das A und O für solide Architekturfotos die Technik. Professioneller wirkt es immer, wenn Linien gerade sind. Richtet man die Kamera schief auf das Haus, spricht man beim schiefen Endergebnis oft von fallenden Linien. Die entstehen unter anderem, wenn man die Kamera leicht nach oben dreht, um das gesamte Gebäude aufs Bild zu bekommen. An einigen Stellen kann das funktionieren, zum Beispiel, wenn man es bewusst übertreibt und vielleicht sogar ein Weitwinkelobjektiv nutzt.

Bilder, die ich so nicht mehr schießen würde: Um die gesamten Bögen und Häuser aufs Bild zu bekommen, fallen die Linien. Besser: einen kleineren Ausschnitt oder andere Perspektive wählen. Und wenn es wirklich der Frame sein muss: In Post richten.

3. Ausschnitt, spannende Motive und sich wiederholende Elemente

Wie also einen coolen Ausschnitt finden, wo alle Linien sinnvoll eingesetzt sind und ein Bild entsteht, das interessant ist? Beliebt sind natürlich Prestigebauten, also große und eindrucksvolle und oftmals teure Häuser in Stadtzentren mit bestimmten Funktionen. Die meisten Architekturfotograf:innen halten aber auch Ausschau nach Brücken, Unterführungen oder Bogengängen. Dort wiederholen sich Elemente und sorgen dadurch dafür, dass das Bild interessant ist.

4. Negative Space / negativer Raum

Das Gegenteil von sich wiederholdenden Elementen funktioniert aber genauso gut, um die Betrachter:innen zu entertainen. Riesige Häuserwände können überwältigend wirken, insbesondere wenn mehrere von ihnen auf einem Bild sind. Ich liebe ja minimalistische Bilder und das ist bei Architekturfotos nicht anders. Also achte ich in der Regel darauf, dass ich auch bei Fotos mit Häusern Raum zum Atmen gebe.

5. Maßstab und Menschen

Auf den Bildern sieht man schon: Die meisten meiner Architekturfotos sind nicht einfach nur Wände und Linien, sondern sie haben auch immer ein anderes Element dabei. Meistens Menschen, die mir so durch den Frame laufen, oft muss aber auch mein armer Freund herhalten, den ich irgendwo in der Szene platziere. Getreu des Meme-Mottos „banana for scale“ von vor zehn Jahren brauchen Betracher:innen ein ihnen bekanntes Element, um das unbekannte in seiner Größe einzuordnen.

Menschen beleben Architekturfotos aber auch: Sie geben nicht nur einen Eindruck des Maßstabs und des Ortes. Wände gibt’s überall. Aber die Leute lassen einen erahnen, wie es an dem Ort wirklich ist. Links sieht man zum Beispiel den Mann durch den Schnee laufen, der grimmig nach vorn schaut. Na klar, es ist ja auch super kalt. Aber anscheinend hat der Winter gerade erst angefangen, sonst hätte er sicherlich Mütze und Handschuhe dabei.

Den Maßstab einordnen müssen aber nicht nur Menschen. Es können Autos sein, Fahrräder, Bäume, alles, was die kalten Linien von Gebäuden aufbricht und vielleicht mehr über den Ort erahnen lässt.

6. Break the rules

So gern ich harsches Licht, gerade Linien und Elemente, die das Bild aufbrechen, mag, genauso sehr mag ich es auch, diese Regeln bewusst zu brechen. So funktioniert ja schließlich Dekonstruktion. Und Kunst im allgemeinen. Das heißt aber nicht, dass ich mich doch für fallende Linien entscheide, um das ganze große Gebäude aufs Bild zu bekommen. Sondern ich halte Ausschau, wann es sinnvoll ist, den Regeln nicht zu folgen. Ein gutes Beispiel sind die beiden folgenden Bilder, die ihr vielleicht auch hier schon entdeckt habt. Beide sind zwei Minuten nacheinander entstanden.

Links habe ich alle Regeln befolgt: Licht und Schatten sind sinnvoll aufgeteilt und heben die beiden Subjekte hervor. So rahmen die Schatten am oberen und unteren Ende des Bildes die beiden Leute beinahe ein. Alle Linien sind gerade, die Szene ist aufrecht. Die beiden Passant:innen geben einen Eindruck der Größe der Szene und sind ein Hingucker.

Rechts habe ich die Kamera schief gen Himmel gerichtet. Es gibt keine Leading Lines, die den Blick auf ein bestimmtes Subjekt fokussieren. Es gibt nicht mal ein direktes Subjekt, sondern nur unterschiedlich gefärbte Hauswände. Aber genau das funktionier an dieser Stelle eben auch: Es gibt einen Farbgradient von dunkel (unten) nach hell (oben). Das Licht ist warm und angenehm, sodass alle Farben, obgleich bunt, gut ineinander greifen. Die Formen tun es ihnen gleich. Insgesamt ist es sehr abstrakt und ich liebe das Bild sehr.

Das linke Bild würde allerdings nicht auf die gleiche Art stimmig aussehen, hätte ich hier die gleichen Methoden angewandt.

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