Der Lockdown war aus vielen Gründen ’ne Herausforderung für uns alle. Natürlich gibt es Branchen und Arbeitnehmer:innen, die furchtbar unter der Krise gelitten haben. Unter ihnen – na klar – leider auch viele Kreative, insbesondere jene, die frei arbeiten und Events oder Menschen fotografieren. Mich hat die Corona-Zeit glücklicherweise finanziell nicht so sehr vor Herausforderungen gestellt und dafür bin ich sehr dankbar. Meinen Workflow hat die Krise natürlich trotzdem beeinflusst: So habe ich weniger Models und mehr Dinge fotografiert. Habe Reisen durch vertraute Nachbarschaften ersetzt – und dabei einiges gelernt. Hauptsächlich bin ich mit meiner analogen Kamera umhergezogen, weil ich weniger für Jobs und mehr in der Freizeit fotografiert habe. Da war ich weniger auf Perfektion angewiesen, sondern habe einfach ein wenig drauf los geknipst. Meine Learnings daraus, Analog im Lockdown unterwegs gewesen zu sein und wo man in gewohnter Umgebung Neues entdecken kann, möchte ich teilen:
1. Learning: Beinahe alles lohnt einen zweiten Blick
Wenn der eigene Bewegungsradius limitiert ist, muss man sich Alternativen suchen. Ich habe zum Beispiel angefangen, mehr in Schaufenster zu gucken. Genauso oft bin ich durch die vertrauten Straßen gewandert und habe in den Shops, Restaurants und an Fassaden entdeckt, was ich sonst übersehe. Klar, keine:r von uns kann das vermaledeite „Komm, wir gehen spazieren“ mehr hören. Und trotzdem nehme ich mit, öfter mal doppelt hinzuschauen. Nicht, wenn ich gehetzt eine U-Bahn bekommen möchte oder Einkaufstüten schleppe, aber eben wenn man mal ne Minute mehr Zeit hat.
2. Learning: Licht und Schatten sind immer
Weniger Menschen bedeutet, sich mit dem arrangieren, was da ist. Wetter is immer, Licht und Schatten is auch meistens. Je nach Sonne mehr oder weniger, aber gerade jetzt, in den Sommermonaten, ist die Stadt schön kontrastreich. Das heißt auch, dass ich viel nach Farben und Formen Ausschau gehalten habe. Und die Sonne wandert über den Tag, schafft neue Muster. Als Architekturfan und Großstadtkind habe ich also besonders nach spannenden Häusern geschaut, nach Brüchen, die der Schatten schafft.
3. Schwarz / weiß am liebsten als Portraits
Schwarz und weiß- und Analog-Fotografie passt wie die Faust aufs Auge. Klar, dass auch ich im Lockdown den ein- oder anderen Schwarz-Weiß-Film eingelegt habe. Aber ehrlicherweise war ich von den Ergebnissen selten überzeugt – und damit meine ich weniger den Grain von dem Agfa 400, als die Wirkung der Motive. Analoge und schwarz-weiße Street-Photography is omnipräsent. Hohe Kontraste und Schärfe und insgesamt eher busy (dass das nicht mein Stil ist – dazu kommen wir unter 7. noch). Spannender wurde es für mich bei Portraits – trotz coronabedingter spezieller Herausforderungen. Umso mehr habe ich mich gefreut, wenn ich mal Freund:innen vor die Linse bekommen habe. Besondere und seltene Momente waren’s.
4. Auch das alltägliche kann eine Stimmung transportieren
Manchmal liebe ich die Stimmung mehr als das eigentliche Motiv. Und manchmal passt’s einfach super gut zusammen. Der schwarz-weiße Aschenbecher und das leere Bier auf dem Balkon vermitteln einfach ein anderes Gefühl als Kaffee, Kekse und tiefgrüner (natürlich Fuji-) Rasen. Und auch Rotwein und New Yorker-Jutebeutel sprechen für sich. Wenn Drink und Hintergrund zusammen passen – oder sich kontrastieren – kommt Stimmung auf. Zweimal hingucken lohnt sich also auch beim Feierabendbier.
5. Der Lieblings-Claim aller Kreativen: Raus aus der Komfort-Zone
Zwei Mal hingucken, um Neues zu finden, heißt auch, sich an Motive zu wagen, die man sonst vielleicht nicht ablichten würde. Analog im Lockdown habe ich dann bewusst neues probiert. In meinem Fall zum Beispiel: Neon. Hier hätte ich mir gewünscht, den berühmten Cinestill eingelegt zu haben, aber auch mit Fuji konnte ich hier das leuchtende Kino-Schild gut einfangen. Es schafft’s nicht in mein Portfolio, aber um mit der immer gleichen Lockdown-Umgebung nicht unkreativ zu werden, hilft’s mir, neues zu probieren. Klar, das sagt jede:r. Aber machen lohnt halt wirklich!
6. Framing und Winkel: Wenn es wenig Varianz in den Motiven gibt, müssen wir anders für Abwechslung sorgen
die klassische Fassadenspiegelung funktioniert immer, … aber Thilo in unserem Büro ist auch immer gut Nur eben aus der Vogelperspektive
Manchmal braucht’s gar nicht unbedingt neue experimentelle Subjekte. Manchmal reicht auch einfach ein anderen Winkel. Von oben, mit einem interessanten Vordergrund, eine Spiegelung, ein abstrakter Ausschnitt. Whatever works, works.
7. Gedanken zu Minimalismus und negative space
Wenn man die Kontakte limitiert, … … muss man eben selbst manchmal als Model herhalten. Oder der Partner. 😀
Kein Geheimnis: Ich mag negative space, klare Motive, aufgeräumte Frames. Und während der Corona-Zeit konnte man das auch unglaublich gut umsetzen. Als ich analog im Lockdown durch die Gegend gestreift bin, habe ich so viele Orte leer gefunden, die sonst super zugestopft sind mit Tourist:innen oder Ausflüglern. Ich habe also gar nicht so viel an meiner Routine geändert, sondern meine gewohnten Motive und Orte nochmal besucht und sie ganz anders vorgefunden als sonst. Leere und Stille hat auch irgendwie in die Zeit gepasst.
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